Beitrag aktualisiert am 14. November 2016
Vor genau 30 Jahren, am 26.04.1986 geschah die bis dato schlimmste Katastrophe der Menschheit. Die Umgebung hat sich bis heute nicht erholt. Ich möchte einmal in die Vergangenheit blicken. Was geschah und wie sieht es heute aus?
Tschernobyl 1986 – Explosion im Atomkraftwerk
Am vergangenen Wochenende lief auf rundschau24 eine Reportage über den Hergang der Katastrophe im AKW Tschernobyl. Ich interessiere mich, wie das alles passiert ist und wie es heute dort aussieht. Aber auch, ob die Menschheit gelernt hat, was wieder ein ganz anderes Thema ist.
1945 beendeten die Amerikaner den zweiten Weltkrieg mit dem Abwurf der ersten und bislang einzigen Atombomben auf Hiroshima am 06. August 1945 und 3 Tage später auf Nagasaki am 09. August 1945. Die deutsche Wehrmacht kapitulierte bereits am 8. Mai 1945. Schon einige Jahre zuvor entwickelten sie den ersten Kernreaktor.
Vom Bau den AKW Tschernobyl bis zur Katastrophe
Das Atomkraftwerk Tschernobyl wurde von 1970 bis 1983 erbaut. Eigens für die Anlage wurde ein Kühlsee angelegt. Das Kraftwerk galt in der Sowjetunion in den 1980er Jahren als Musteranlage und wurde auch nach der Explosion in Block 4 bis Dezember 2000 zur Energieerzeugung betrieben. Heute arbeiten dort noch 3000 Mitarbeiter. Das Kraftwerk ist in keinen guten Zustand, und man Arbeitet gegen die Zeit…
Block 4 wurde 1983 fertiggestellt, der Bau von Block 5 und 6 wurde 1988 eingestellt. Noch heute sind die Bauruinen zu sehen.
Doch wie kam es zu dieser Katastrophe?
Um beim Bau der Atomreaktoren mit den Westen mithalten zu können, wurden Sicherheitsmängel in Kauf genommen. Block 4 wurde ohne Sicherheitstests 1983 in Betrieb genommen. Viktor Baranov der Direktor der Anlage und sein Chefingenieur Nikolai Fomin wurde dazu gedrängt. Sonst hätten tausende Mitarbeiten und Ingenieure auf einer Prämie verzichten müssen, die um etwa das dreifachen des Monatsgehaltes belief. Nun, 3 Jahre später sollten die Tests nachgeholt werden. Um etwa 1 Uhr Nachts am 25. April 1986 sollte nun der Reaktor heruntergefahren werden. Ideal sind 20-30% der Nennleistung. Alles läuft nach Plan und die Reaktorleistung beträgt schon bald nur noch um die 50%. Doch dann kommt alles anders mit einem Anruf aus Kiev. Es wird eine erhöhte Strommenge wegen eines Ausfalls eines anderen Kraftwerks in Tschernobyl angefordert. Somit musste der Sicherheitstest abgebrochen werden.
In der darauf folgenden Nacht wurde der Test erneut durchgeführt. Jedoch wurde der Reaktor durch einen Bedienfehler fast ganz herunter gefahren. Mit dieser Leistung ist der Reaktor extrem unstabil und die Leistung musste wieder erhöht werden. Er lief nur mit 7%, vorgeschrieben waren min. 20%. Um die Leistung wieder weiter zu erhöhen, wurde die automatische Notabschaltung deaktiviert, die im Notfall eine Kernschmelze verhindern sollte. Die Leistung beginnt nun dramatisch zu steigen. Der Kern überhitzt wie ein radioaktiver Vulkan. Die Schichtleitung bekommt Angst und betätigt 36 Sekunden später die Notabschaltung. Doch es ist zu spät. Die Kettenreaktion kann nicht aufgehalten werden. In 4 Sekunden erreicht der Reaktor das 100-Fache seiner Nennleistung. 20 Sekunden später kommt es zur Explosion und das Dach wird abgesprengt, weitere 5 Sekunden später explodiert der Kern. 50 Tonnen nuklearer Sprengstoff, Trümmer und Graphit wurden in einen Umkreis von 3 km geschleudert. Die atomare Strahlung war 10 mal höher als bei einer Atombombe! Der Reaktor wird noch 9 Tage brennen… Die Sowjetunion reagiert mit einer Nachrichtensperre von 10 Tagen auf die Ereignisse.
Ein Teil der Mitarbeiter der Schicht sterben binnen 12 Tage an der Strahlenkrankheit. Die Verantwortlichen erhalten August 1987 Strafen zwischen 5 und 10 Jahre Gefängnis. Laut WHO forderte es 4000 Opfer, auf weiter Sicht werden es bis zu 100.000 werden.
Prypjat – Die Geisterstadt
Die Stadt Prypjat wurde 1970 eigens für die Mitarbeiter des AKW Tschernobyl zeitgleich gebaut. Es war eine sehr Moderne und reiche Stadt mit über 49.360 Einwohnern. Darunter ca. 15.500 Kinder, das Durchschnittsalter der Bevölkerung lag bei 26 Jahren. Die Entfernung zum Reaktor beträgt nur 4km. Somit liegt die Stadt in der 30km-Sperrzone. Und dennoch bin ich verwundert, wie viele Touristen es da hin treibt. Für 450 Dollar gibt es Führungen¹ für einer Person, mehr Personen drücken den Preis. Ohne Schutzkleidung oder Atemmasken, bewaffnet mit Geigerzähler geht es in die Stadt und bis vor dem AKW. Zugegeben, ich würde es mir aus ansehen. Aber meine Gesundheit ist mir da schon wichtiger. Und so schaue ich aus sicherer Entfernung, auch wenn es hier natürlich auf die Dauer ankommt, die man sich der Strahlung aussetzt.
Erst 36 Stunden nach der Katastrophe wurde die Stadt innerhalb von 2,5h mit 1200 Bussen evakuiert. Die Menschen wurden in dem Glauben gelassen, nach kurzer Zeit wieder zurückzukehren. So ließen viele ihr Hab und Gut zurück. 36 Stunden brauchte es, um zu reagieren und die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Nur durch günstige Wetterverhältnisse gelangten giftige Stoffe erst nach der Evakuierung durch Regen in die Stadt. Winde trieben die radioaktiven Substanzen nach Westeuropa. So sind zum Beispiel Pilze aus Bayern nicht sonderlich gesünder als Ost-Europäische, da es zu dem Zeitpunkt hier regnete².
Video der Geisterstadt
(Hinweis: Es gibt mehrere Teile)
25 Jahre nach Tschernobyl – Fukushima
Im Gegensatz zu Tschernobyl war das Unglück in Fukushima eine Naturkatastrophe, hervorgerufen durch einem Erdbeben. Doch zweifelsfrei war die Katastrophe noch schlimmer als in Tschernobyl. In 3 Blöcken kam es zur Kernschmelze. Große Mengen an radioaktiven Stoffen wurden freigesetzt und kontaminierten Luft, Erde und Wasser. Alle Fische leiden durch der extrem hohen Strahlung und man sollte keinen Fisch aus betreffenden Fanggebieten verzehren. Darunter fallen die Fanggebiete im Pazifischen Ozean³: 61, 67, 71, 77, 81, 87, 88. Behörden und Wissenschaftler spielen die eben genannten Fanggebiete teilweise herunter und begrenzen diese max. auf die 61 und 67. Aber hält sich eine Strömung an einem vorgegebenen Fanggebiet? An dieser Stelle der Hinweis, dass Fische aus der Ostsee durch Tschernobyl ebenfalls belastet sind, allerdings so minimal das es keine Gesundheitlichen Folgen hat.
Was hat man daraus gelernt?
Vor geraumer Zeit habe ich eine Reportage über Olympia 2020 in Tokio gesehen. Bis dahin will man wieder Normalität zeigen, die Städte sollen wieder bewohnt werden. Ein Reporter hat in den Städten um dem Kraftwerk Strahlungen von 2,5 µSv/h gemessen. Ähnliche Werte (3,5 µSv/h – 700 mSV/h*) herrschen in Prypjat. Das sind umgerechnet zwar nur 0,0025 mSv/h, wenn ein Gegenstand oder Lebenwesen jedoch lange Zeit dem ausgesetzt ist, Summieren sich die Werte. Jährlich wurden 10 mSv errechnet. Das entspricht den Jährlichen Grenzwert für Arbeiter in Europa, die atomare Strahlung ausgesetzt sind. Mit jeden Regen kommen erneut Giftstoffe auf die Felder. 100 mSv gelten als Gesundheitsgefährdend (50% Krebsrisiko). Spätschäden sind die Folge, man scheint nichts gelernt zu haben. Das betrifft auch den Umgang mit den radioaktiven Material, dass ungehindert ins Meer fließt. Auch 5 Jahre später! Und auch in den AKWs um Deutschland sieht die Lage nicht gut aus, wenn es aktuell auch nicht ernsthaft beunruhigend ist. Eine Tatsache die ich jedoch als beunruhigend empfinde, dass aktuell weltweit über 100 neue AKWs gebaut werden (einige befinden sich noch in Planung). Allein in China entstehen aktuell 24 neue Atomkraftwerke. Und keiner weiß, was mit den Müll passiert.
- Auf der Karte: Tschernobyl bei Google Maps
- Bilder der Geisterstadt
Quellen
¹ http://tourkiev.com
² http://www.augsburger-allgemeine.de
³ https://newstopaktuell.wordpress.com
* https://phinau.de/jf-archiv/archiv11/201117042228.htm
Bild: https://commons.wikimedia.org
Wer schreibt hier: Torsten Seidel
Gambio Shop-Einrichtung und Pflege
Mehr über den Autor...